Als Kind mochte ich diese Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr überhaupt nicht. Über meinen Kummer mit Weihnachten habe ich schon berichtet und Silvester war mir schon immer gleichgültig. Auch mit diesem Festtag verbinde ich nicht nur Angenehmes.
Seit einigen Jahren genieße ich diese Zeit aber sehr. Vielleicht liegt es daran, dass ich vor rund 4 Jahren das erste Mal durch meine Yoga-Lehrerin von den sogenannten Rauhnächten hörte. Die Rauhnächte sind die 12 Nächte zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige und bildeten vor Generationen für viele Menschen - vor allem in ländlichen Gegenden - einen traditionellen Höhepunkt des Jahres. Es ranken sich viele Mythen, Geschichten und Bräuche um die Rauhnächte. Die Natur scheint in dieser Zeit still zu stehen und in sich zurückzuziehen. An dunklen, kalten Wintertagen bot sich reichlich Gelegenheit, Zeit mit der Familie zu verbringen, sich zu besinnen, Geschichten zu erzählen und das neue Jahr vorzubereiten. Vor allem bot sich aber die Möglichkeit, lauschend und spürend Kontakt zur Welt der Ahnen, der Geister und Naturwesen aufzunehmen und die "Zeichen" zu deuten und zu orakeln.
Heute schauen wir meist befremdlich auf solche Bräuche. Aber vor langer Zeit, als eine Dorfgemeinschaft noch eng verbunden war und sich Jung und Alt in den warmen Stuben versammelten und nicht jedes Zimmer beheizt und mit Elektrizität versehen war, hatten die Rauhnächte zweifellos ihren Sinn. Die Arbeit auf den Höfen und Feldern musste im Winter ruhen und so verbrachte man die Zeit mit Geschichten, Handarbeiten und Ritualen.
Heute sind wir nicht mehr gezwungen, dem Rhythmus der Natur zu folgen: Wird es dunkel, schalten wir das Licht an. Ist uns kalt, drehen wir die Heizung auf. Für Unterhaltung sorgen Fernseher, Computer und Smartphone. Andererseits ist die Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit für viele heute größer denn je. In einer Zeit, die nur so dahin zu rasen scheint. Kaum ist der Müll von Silvester von den Straßen verschwunden, stehen fast schon wieder die Schokonikoläuse in den Regalen der Supermärkte. Je schnelllebiger die Zeit wird, um so stärker scheint unser Wunsch nach Ruhe, Stille und Rückbesinnung zu werden.
Und das ist der Grund, warum ich die Rauhnächte - also die Tage vom 25. Dezember bis 06. Januar - so mag. Ich bin nicht spirituell veranlagt und auch nicht abergläubisch. Aber dem Wesen der Rauhnächte, sich nämlich Zeit für die Dinge zu nehmen, die einem wichtig sind, zur Ruhe und Besinnung zu kommen und Kraft zu tanken, dem fühle ich mich sehr verbunden. In dieser Zeit versuche ich bewusst das Tempo zu drosseln, mich und mein Umfeld wahrzunehmen und auch mal einfach nichts zu tun.
Besonders schön ist diese Zeit, wenn wir mit den Eltern meines Partners Weihnachten feiern und meine "Schwiegermutter" mit mir über die Rauhnächte spricht. Sie ist eine sehr patente und eher resolute Frau. Aber wenn sie von den Gegebenheiten und Bräuchen der Rauhnächte erzählt, höre ich ihr gebannt zu - wie ein kleines Kind, das den Geschichten der Großmutter lauscht. Und so haben wir uns dieses Jahr beim Abschied zum ersten Mal gegenseitig versprochen, die Tage bis zum 6. Januar in Ruhe zu verbringen und inne zu halten. Auch solche kleinen Dinge liebe ich an dieser Zeit...
Meine Yoga-Lehrerin hat uns für die Rauhnächte immer Meditationen aufgegeben. Ich finde den Begriff "Meditation" in diesem Zusammenhang nicht ganz passend und auch zu aufgeladen. Es sind eher kleine Übungen für die Wahrnehmung, Gedankenkontrolle und die innere Einkehr. Einige habe ich hier aufgeschrieben.