Warum die richtige Atmung helfen kann

"Wie wir leben, so atmen wir. Wie wir atmen, so leben wir."

Etwa 20.000mal am Tag atmen gesunde Erwachsene ein und aus.

Die Atmung ist für uns so selbstverständlich, dass wir ihr oft keine Beachtung schenken. Sie geschieht einfach. Dabei ist die Atmung für uns lebenswichtig. Sie begleitet uns von der ersten bis zur letzten Minute unseres Lebens. Ohne Atmung gibt es kein Leben. Atmung wirkt immer ganzheitlich auf Körper, Geist und Psyche. Aber das gilt auch umgekehrt: Unsere Stimmung beeinflusst unser körperliches Befinden und damit unsere Atmung. Eine bewusste Atmung wiederum kann helfen, körperliche und seelische Blockaden und Verspannungen zu lösen und das Wohlbefinden zu steigern. Der Atem ist ein wahres Lebenselexier... 

 

Was passiert bei der Atmung?

 

Mit der Einatmung gelangt frische, sauerstoffreiche Luft über die Atemwege in die Lunge. In den Atemwegen, vor allem in der Nase, wird die Luft angefeuchtet und gereinigt. Von der Lunge aus gelangt der Sauerstoff weiter über das Blut in die Organe und in jede Zelle unseres Körpers. Die Zelle braucht Sauerstoff, um Nährstoffe verbrennen und daraus Energie bereitstellen zu können. Die gesündeste Ernährung ist zwecklos, wenn wir dem Körper nicht ausreichend Sauerstoff zur Verfügung stellen. Mit der Ausatmung wird die sauerstoffarme, kohlendioxidreiche Luft aus der Lunge - und damit aus dem Körper - entsorgt.    

 

 Das Einatmen ist ein aktiver Vorgang. Bei der idealen Einatmung (Bauch- oder Zwerchfellatmung) senkt sich unter anderem das Zwerchfell Richtung Bauch und die Zwischenrippenmuskeln spannen an. Die Lunge folgt passiv dieser Bewegung und dehnt sich aus. Jetzt kann sie sich mit frischer Luft füllen. Gleichzeitig drückt das absinkende Zwerchfell die Bauchorgane leicht zusammen und massiert sie so sanft. Eine richtige Atmung hilft also auch der Verdauung. 

 

Das Ausatmen hingegen ist ein passiver Vorgang. Die äußeren Zwischenrippenmuskeln und das Zwerchfells erschlaffen. Die Lunge zieht sich zusammen, wodurch die kohlendioxidreiche Luft ausgeatmet wird.

Atmen ist der rhythmischer Wechsel zwischen Entfalten und Zusammenziehen, Anspannung und Entspannung, Loslassen und Annehmen. Kaum ein Vorgang im menschlichen Körper symbolisiert das ewige Pendeln zwischen den polaren Lebensvorgängen und -ereignissen so gut wie die Atmung.  

 

Der Taktgeber der Atmung ist das vegetative Nervensystem: Der Sympathikus steuert die Einatmung. Er weitet die Atemwege und erhöht die Atemfrequenz. Der Parasympathikus steuert die Ausatmung. Die Atemwege verengen sich und die Atemfrequenz nimmt ab. Es gibt noch eine übergeordnete Steuerung des Atems durch das Atemzentrum im verlängerten Rückenmark, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen. Das Atmen ist der einzige Vorgang in unserem Körper, der autonom abläuft und gleichzeitig von uns beeinflusst werden kann. Einfluss auf die Atmung haben neben körperlichen Faktoren, wie beispielsweise Bewegung, auch seelische Faktoren wie Freude, Stress, Angst oder Wut. 

 

Der Atem wirkt also ganzheitlich auf Körper, Geist und Psyche. Das heißt auch, dass wir über bewusstes Atmen Körper, Geist und Seele erreichen können. Schon deshalb lohnt es sich, bewusst zu atmen. Fokussieren wir uns auf unseren Atemrhythmus, können wir erkennen, wie es uns in diesem Augenblick geht. Sind wir gestresst und angespannt, atmen wir eher flach und kurz - meist nur in die Brust. Sind wir hingegen ruhig und entspannt, atmen wir tiefer und länger.  Entspannung lässt nicht nur den Atem ruhiger werden, sondern es funktioniert auch umgekehrt: Eine verlängerte Ausatmung beispielsweise aktiviert den parasympathischen Teil des vegetativen Nervensystems, der nicht nur die Ausatmung steuert, sondern auch für die Entspannung zuständig ist. Wir werden ruhiger. Bewusstes Atmen kann uns helfen, aus Stress und Anspannung herauszugehen und stärkt unsere Körperwahrnehmung.

mögliche Folgen falscher Atmung



Gerade Angstpatienten atmen durch ihre hohe Anspannung oft sehr flach. Ich selbst neige dazu, unter Stress oder Anspannung das Atmen beinahe zu vergessen. Meine Stress- oder Angstreaktion ist das Erstarren. Der Atemzug hört für mich dann gefühlt im Hals auf. Brust oder Bauch scheinen gar nichts mehr von diesem Atemzug mitzubekommen. Über die Jahre habe ich gelernt: Stockt mir der Atem auf diese Weise, ist meist mein Stress- oder Anspannungslevel sehr hoch und eine Angst- oder Panikattacke womöglich nicht mehr fern. Das ist auch rein physiologisch begründbar, da der Körper mit Sauerstoff unterversorgt wird und in den Alarmmodus geht. Also habe ich mir einige Atemübungen angeeignet, um dem vorbeugen zu können und meine Atmung als Seismograph meiner inneren Anspannung etabliert. 

 

Ich versuche täglich - so oft es geht - kleine Atempausen einzubauen. Das braucht zum Glück nicht viel Zeit, denn den Atem zu beobachten und zu registrieren, in welchem Rhythmus er gerade ist, geht recht schnell. 

 

Atmung und Psyche

Ob wir wollen oder nicht, der Atem verbindet uns unmittelbar mit der Umwelt. Anders als unsere Haut, können wir die Atmung nicht von der Außenwelt abschirmen. Der enge Zusammenhang zwischen dem Atem und dem augenblicklichen Erleben spiegelt sich in vielen Redewendungen wider. Wir atmen die selbe Luft wie Freund oder "Feind" und gönnen manchem die Luft zum Atmen nicht und fordern ihn oder sie sogar auf, mal die Luft anzuhalten. Uns bleibt vor Schreck die Luft weg, wir finden etwas atemberaubend, es verschlägt uns den Atem oder schnürt uns die Luft ab. Wir machen unserer Wut Luft. Wir meinen, in der Nähe eines anderen ersticken zu müssen oder wir können endlich aufatmen. Symbolisch gesehen, verbinden uns die Atemwege mit dem allgemeinen Lebensfluss.  

 

 

"Im Atemholen sind zweierlei Gnaden,

die Luft einziehen, sich ihrer entladen.

Jenes bedrängt, dieses erfrischt.

So wunderbar ist das Leben gemischt."

(Johann Wolfgang von Goethe) 


 

Als ich aufgrund meines ersten Erschöpfungssyndroms in einer Reha-Klinik war und voller Sorge und düsterer Gedanken, wie es denn nun mit meinem Leben weitergehen und was ich als erstes verändern solle, tröstete mich der Oberarzt mit den Worten "Einfach erstmal weiter atmen. Um den Rest kümmern wir uns anschließend.". Für mich ist dieser Satz zu einem geflügelten Wort geworden und jedesmal, wenn alles über mir zusammenzuschlagen scheint, erinnere ich mich daran, erst mal in Ruhe weiter zu atmen. Oder etwas fröhlicher ausgedrückt: "Es gibt viel zu tun? Dann fang mit einer Pause an..."

 

Wissenswertes über die Atmung

  • Ein erwachsener Mensch atmet in Ruhe durchschnittlich 15mal pro Minute. 
  • Mit der sogenannten Vollatmung nehmen wir so zwischen 50 und 75 Liter Luft
    pro Minute auf. Bei flacher Atmung hingegen nur 7 bis 10 Liter.
  • Bei körperlicher Anstrengung verdreifacht sich die Atemfrequenz auf ca.
    45 Atemzüge pro Minute.
  • Im Vergleich: Ein Baby atmet durchschnittlich 40mal pro Minute. 
  • Mit der Atmung trainieren wir den größten Muskel in unserem Körper:
    das Zwerchfell.
  • Unser Gehirn verbraucht alleine ca. 80 Prozent des eingeatmeten Sauerstoffs. Bekommen die Gehirnzellen keinen Sauerstoff, sterben sie innerhalb weniger Minuten ab. 
  • Der Atem ist der einzige Vorgang im Körper, der sowohl willkürlich als auch unwillkürlich gesteuert werden kann. 
  • Der Reinigungsprozess des Lymphsystems kann durch tiefes und richtiges Atmen um mehr als das zehnfache beschleunigt werden. 
  • Unsere Atmung ist eng mit Körperhaltung, Stimme und Ich-Gefühl verbunden. 
  • In alten Kulturen wird der Atem mit der universellen Lebenskraft gleichgesetzt (Indien: "Prana", Polynesien "Mana", Cina "Chi").

 

Kurz gesagt: Bewusstes Atmen ist gesund und unterstützt unsere körperliche Frische und Ausstrahlung.