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Warum Singen helfen kann

Singen ist eine der ältesten Ausdrucksform der Menschheit. Welche Wirkung das Musizieren mit der eigenen Stimme auf Körper, Geist und Seele hat, beschäftigt die Wissenschaft aber erst seit einigen Jahren. Warum Singen bei Stresssyndromen oder Angststörungen helfen kann, lest ihr hier: 

 

Kinder singen oft, um sich Mut zu machen: Im Dunklen, wenn sie alleine sind oder sich in einer Situation befinden, die sie ängstigt. Mir ging es da nicht anders. Als kleiner Knirps habe ich es zum Beispiel gehasst, wenn mich meine Mutter in den Keller schickte, um für sie Vorräte zu holen. Der Keller unter unserem Haus war weitläufig, verwinkelt und wirkte auf mich sehr unheimlich und verängstigend. Wie ein dunkles Loch. Aus Sicht einer Sechsjährigen konnte man da schon verloren gehen. Ich war mir sicher, dass irgendwelche bösartigen, hungrigen Monster hinter den Regalen und Türen auf mich lauerten und ich niemals die mir aufgetragenen Missionen, wie "Hol-mir-mal-Zucker-und-Mehl-aus-dem-Keller", überleben würde. Also habe ich gesungen oder zumindest gesummt, sobald ich die Kellertür geöffnet hatte. Ich hoffte inständig, dass die Monster meine Stimme nicht mögen und mich in Ruhe lassen würden. Irgendwie hat es auch immer geholfen. Vielleicht habt ihr als Kind ähnliche Erfahrungen gemacht.

 

Wie sehen aber die wissenschaftlichen Fakten hinter dem Angst lösenden und Stress abbauenden Effekt des Singens aus?  

 

Die Forschung hat mittlerweile in mehreren Untersuchungen die aufhellende Wirkung des Singens auf das Gemüt nachgewiesen.

Schon nach 30 Minuten Singen produziert unser Gehirn erhöhte Anteile von Beta-Endorphinen, Serotonin und Noradrenalin.

Diese sogenannten Glückshormone steigern unsere gute Laune und senken gleichzeitig das Angst- und Schmerzerleben.

Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin werden abgebaut und wir können innerlich zur Ruhe kommen.

 

Neben diesen hormonellen Effekten, die erst nach einer halben Stunde Singen einsetzen, vertieft Singen grundsätzlich die Atmung. Singen ist nichts anderes, als eine bewusste Atemübung. Um zu singen und einen Ton zu halten, benötigen wir ausreichend Luft. Dafür atmen wir tief in den Bauch ein und aktivieren so die natürliche Zwerchfellatmung. Unter Stress atmen wir meist viel zu flach und der Atem endet oft im Brustkorb. Durch die vertiefte Atmung werden Körper und Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt. Durch das Absinken des Zwerchfells bei der Einatmung werden die Bauchorgane regelrecht massiert und der Stoffwechsel angeregt. Die verlängerte Ausatmung, um beispielsweise einen Ton lange halten zu können, aktiviert Teile des parasympathischen Nervensystems - also den Teil des autonomen Nervensystems, der für die Entspannung zuständig ist. Wer unter Angststörungen leidet, bei dem läuft der antreibende, sympathische Teil des autonomen Nervensystems meist dauerhaft auf Hochtouren. Der parasympathische Teil hat kaum die Chance, zum Zuge zu kommen und Entspannung zu bringen. Das Singen kann wieder eine Balance herstellen.

 

Wie eingangs schon erwähnt, ist Singen eine der ältesten Form unseres Ausdrucks: Alles, was uns beschäftigt, Eindrücke, die wir aufgenommen haben oder Emotionen, die wir nicht in Worte fassen können, können wir über die Singstimme ausdrücken - gerade in einer Zeit, die sehr schnelllebig und reizüberflutend ist. Und: Herausgesungene Wut oder Aggression beispielsweise schadet niemandem und man ist sie dennoch los geworden. 

 

Singen stärkt darüber hinaus unser Immunsystem und regelmäßiges, intensives Singen erhöht die Herz-Kreislauf-Fitness.

Singen hat also durchaus körperliche Effekte, die denen eines kräftigen Spaziergangs oder Dauerlaufs in nichts nachstehen. 

  

Ich habe das Singen nach meinem ersten Erschöpfungssyndrom wieder entdeckt. Mein Arzt fragte mich damals, was mir jetzt Spaß machen würde. Und ohne lange zu überlegen antwortete ich: "Singen!". Als Kind und Jugendliche hatte ich mit großer Begeisterung in verschiedenen Chören gesungen. Warum nicht an diese gute Erfahrung anknüpfen?

 

Also suchte ich mir einen Chor, der zwar schon einen gewissen Anspruch hatte, aber auch eher das gemeinsame Singen an sich pflegte. Das Singen half mir tatsächlich, seelisch und körperlich zu entspannen. Die nette Chor-Gemeinschaft und gelegentliche Auftritte hellten meine Stimmung zusätzlich auf.

 

Falls ihr nun denken solltet 'ich kann doch aber gar nicht singen', möchte ich gerne meinen alten Chorleiter zitieren. Er sagte bei solchen Einwänden immer: "Singen kann jeder!". Es geht nicht darum, ein Gesangsstar werden. In erster Linie geht es darum, sich selbst durch das Singen etwas Gutes zu tun. Dafür reicht es auch völlig, zu Hause mal die Musik etwas lauter aufzudrehen und nach Herzenslust mitzusingen. Probiert es aus!